Dispositionsleiter Herr D. aus Nürnberg wundert sich. Warum bekommt er von der Behörde einen Anhörungsbogen zu einer Anzeige. Er erstellte doch aus seiner Sicht das richtige Beförderungspapier. Er hat die Gefahrgutangaben eins zu eins aus der IMO-Erklärung der vorausgegangenen Seebeförderung des auf seinem Betriebsgeländes abgeladenen Gefahrguts in das Beförderungspapier Straße übernommen, um den anschließenden Transport von Nürnberg zu seinem Kunden nach München durchzuführen. Hat Herr D. dabei auch die gefahrgutrechtlichen Sprachregelungen beachtet?
Der International Maritime Dangerous Goods Code regelt die Beförderung von Gefahrgütern auf dem Seeweg. Das dazu erforderliche Beförderungspapier, die im Allgemeinen genannte IMO-Erklärung, unterliegt keinen formellen Voraussetzungen. Es werden die in Kapitel 5.4 beschriebenen Angaben gefordert. Dabei muss eine Teilmenge dieser Angaben in einer festgelegten Reihenfolge stehen. Aber in welcher Sprache sind die Angaben zu machen? In der Regel wird die IMO-Erklärung in Englisch erstellt. Fraglich ist, ob es eine verbindliche Sprachregelung gibt. Die Antwort lautet „nein“. Es wird keine ausdrückliche Verwendung einer bestimmten Sprache gefordert. Vielmehr geht man davon aus, dass es mehr oder weniger „gewohnheitsrechtlich“ anerkannt ist, die IMO-Erklärung in Englisch zu erstellen. Dies kommt den meist grenzüberschreitenden Transporten mit dem Seeschiff entgegen.
Herr D. hatte seinerzeit eine Seesendung mit der dazugehörigen IMO-Erklärung in Englisch erhalten. Froh darüber zu sein, schon die Gefahrgutdaten parat zu haben, erstellte er mit diesem Datensatz das Beförderungspapier Straße für die Strecke Nürnberg-München und verlud das Gefahrgut als Stückgut auf einen fremden Speditions-LKW.
Wie im IMDG-Code regelt auch das ADR in Kapitel 5.4 alle Anforderungen zu den Angaben und Reihenfolge derselbigen im Beförderungspapier. Im Unterschied zu der „Seevorschrift“ trifft das ADR eine Regelung in welcher Sprache die Angaben zu machen sind. Für das Beförderungspapier Straße ist die Amtssprache des Versandlandes zu benutzten. Ist diese nicht eine der genannten ADR Sprachen Deutsch, Englisch oder Französisch, dann muss zusätzlich eine dieser drei Sprachen im Beförderungspapier verwendet werden.
Das bedeutet in der Praxis: Startet der Transport in Nürnberg, wie bei Herrn D., dann sind die Angaben in Deutsch abzufassen. Die Versandlandsprache ist auch eine ADR-Sprache. Damit bleibt es bei einer Sprache. Versendet Herr D.‘s polnischer Kollege Herr W. Gefahrgüter aus Krakau, so hat dieser die Angaben in Polnisch zu machen. Herr W. muss nun die ADR-Sprachregelung beachten. Was bedeutet das in Praxis für Herrn W. aus Krakau? Ist das Beförderungspapier in einer „Nicht-ADR-Sprache“, wie im vorliegenden Fall Polnisch, abgefasst, müssen in dem gleichen Papier die Gefahrgutangaben mit einer der drei genannten ADR-Sprachen ergänzt werden. Herr W. muss also zwei Sprachen verwenden.
Im Gegensatz dazu hat Herr D. aus Nürnberg zur Erstellung seines Beförderungspapiers Straße die ADR-Sprache
Englisch benutzt, die aber – obwohl ADR-Sprache – nicht die Versandlandsprache ist. Die ist Deutsch. Es reicht auch vollkommen aus, nur Deutsch zu verwenden, da dies gleichzeitig eine der offiziellen ADR-Sprachen ist. Herr D. hat also gegen die Anforderung zur Verwendung der Sprache des Versandlandes mit dem Neuerstellen des Beförderungspapiers Straße in „nur“ Englisch verstoßen. Dies stellt einen bußgeldbewährten Tatbestand dar.
Fraglich ist, ob es für Herrn D. eine Alternative zur Erstellung eines neuen Beförderungspapiers Straße gegeben hätte. Das ADR sieht in Abschnitt 1.1.4.2 vor, dass Herr D. die ihm ausgehändigte IMO-Erklärung auch als Beförderungspapier Straße für die weitere Durchführung des Nachlaufs hätte verwenden können. Augenscheinlich war bei ihm die Transportkette nicht beendet.
Das ADR fordert jedoch für die Anwendung dieser Regelung, dass Angaben, die das ADR kennt und die nicht im IMDG-Code zu finden sind, wie z.B. der Tunnelcode, in die IMO-Erklärung nachgetragen werden. Auch der Hinweis, dass man von dieser Regelung gebraucht macht ist mit den Worten: „BEFÖRDERUNG NACH ABSATZ 1.1.4.2.1“ in das Papier mit aufzunehmen. In diesem besonderen Fall ist die Sprache Englisch als Beförderungssprache für den Straßentransport im deutschen Straßenverkehr anerkannt.
Bei der Verwendung einer IMO-Erklärung als Seehafennachlaufpapier Straße auf Grundlage des Abschnitts 1.1.4.2 ADR ist zu beachten, dass mit der Beauftragung eines Spediteurs den avisierten Container z.B. bei einem Hafenterminal abzuholen, der Auftraggeber der Abholung zum Absender im Sinne des ADR wird. Absender im Sinne des ADR ist das Unternehmen, das selbst oder für einen Dritten gefährliche Güter versendet. Erfolgt die Beförderung aufgrund eines Beförderungsvertrages gilt als Absender der Absender gemäß diesem Vertrag.
Damit tritt der den Spediteur zur Abholung des Containers Beauftragende in die Absenderverantwortlichkeit des ursprünglich in der IMO-Erklärung genannten Versenders ein.
Verglichen mit den Beförderungspapieren Straße und See wird bei der IATA-Erklärung Englisch als Sprache verpflichtend vorgeschrieben. Auch das in den IATA Dangerous Goods Regulations vorgeschriebene Formular ist zu benutzen, so dass bei der Luftbeförderung von Gefahrgut die restriktiven Formvorschriften gelten.
Willi Weßelowscky | Gefahrgut-Experte
Wie wir an dem Beispiel des Herrn D. aus Nürnberg gesehen haben, kann das bekannte „copy and paste“ im Gefahrguttransport zu einem Regelverstoß führen. Demnach muss beim Wechsel des Verkehrsträgers die verkehrsträgerspezifischen Besonderheiten beachtet werden. Weiterhin kann damit auch ein Wechsel der gefahrgutrechtlichen Pflichten und Verantwortlichkeiten einhergehen. Dies betrifft aber nicht nur den Absender, auch beim Verladen von Gefahrgut sollte man beim Zuladen bereits angeladener Fahrzeuge genau hinschauen und sich seiner Pflichten bewusst sein.
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