Kennen Sie das? Sie versenden regelmäßig Gefahrgüter mit dem Lkw oder der Bahn. Damit kennen Sie sich gut aus. Jetzt soll aber eine Sendung auch im Seeverkehr befördert werden. Der IMDG-Code mit seinen besonderen Regeln ist aber für Sie ein Buch mit sieben Siegeln. Sie haben alle Voraussetzungen für die Gefahrgutbeförderung im Straßenverkehr erfüllt. Z.B. haben Sie eine*n Gefahrgutbeauftragte*n für den Straßenverkehr, Sie haben alle Mitarbeitenden im Gefahrgutrecht für den Straßenverkehr unterweisen lassen und haben eigene Fahrer mit ADR-Schulungsbescheinigung.
Zuerst die gute Nachricht: Wenn Sie sich gut mit der Gefahrgutbeförderung im Straßenverkehr auskennen, fällt Ihnen wahrscheinlich das Gefahrgutbeförderungsrecht für den Seeverkehr leicht. Im Lauf der Jahre wurden die Regelwerke immer weiter harmonisiert, so dass ADR und IMDG-Code meistens identisch sind. Oft stehen die Regeln sogar an den gleichen Stellen und sind unter denselben Kapitelnummern zu finden. Es gibt jedoch einige Unterschiede und zusätzliche Regeln im IMDG-Code, die unbedingt beachtet werden müssen.
Grundsätzlich gilt auch für die Gefahrgutbeförderung im Seeverkehr, dass Sie eine*n Gefahrgutbeauftragte*n benötigen. Der muss einen gültigen Schulungsnachweis für den Seeverkehr haben. Eventuell ist Ihr Unternehmen von dem Erfordernis einer*s Gefahrgutbeauftragten befreit. Die Befreiungstatbestände gelten gleichermaßen auch für den Seeverkehr.
Wenn Ihr Unternehmen eigene Fahrer*innen mit ADR-Schulungsbescheinigung beschäftigt, können Sie allerdings nicht auf diese verzichten. Denn das Gefahrgut muss ja über die Straße zum Seehafen befördert werden oder aus dem Seehafen zurück. Entsprechend gilt dies für alle Mitarbeitenden, die mit dem Gefahrgut zu tun haben. Die müssen vor der ersten Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Gefahrgutbeförderung im Gefahrgutrecht Straße und See unterwiesen werden. Die gute Nachricht ist, wenn Ihre Mitarbeitenden bereits nach dem Hazmat (USA) geschult worden sind: Diese Schulungsbescheinigungen werden auch als Gefahrgutunterweisung für den Seeverkehr in Deutschland anerkannt.
Trotz Harmonisierung gibt es noch viele Unterschiede, die mit den unterschiedlichen Gefahren der Verkehrsträger zu erklären sind:
Unterschiedliche Klassifizierungen
Hier ist der IMDG-Code oft strenger: Einige Gefahrgüter unterliegen nicht dem ADR, aber dem IMDG-Code, z.B. NiMH-Batterien, feuchtes Heu oder Fasern tierischen Ursprungs. Und hier das ADR: Es gibt Gefahrgüter, die laut ADR Nebengefahren haben, jedoch nicht laut IMDG-Code, z.B. Natriumdinitroorthocresolat, Cyanwasserstoff, wässerige Lösung oder Cyanwasserstoff, stabilisiert.
Bei der Klassifizierung viskoser Stoffe der Klasse 3 muss berücksichtigt werden, dass die Stoffe mit einem Flammpunkt über 23 °C laut ADR freigestellt sind, aber laut IMDG-Code nicht. Sie unterliegen laut IMDG-Code nicht der Kennzeichnung, Bezettelung und Prüfung von Verpackungen. Alle anderen Regeln müssen aber angewendet werden.
Unterschiede bei begrenzten Mengen
Hier ist der IMDG-Code strenger: Auch bei den begrenzten Mengen gibt es relevante Unterschiede, z.B. bei UN 1286 VP II, UN 2802 VP III oder UN 2956 VP III. In der Regel sind die erlaubten Mengen pro Innenverpackung im Seeverkehr geringer oder es ist sogar verboten, das Gefahrgut im Seeverkehr als begrenzte Mengen zu befördern. Laut ADR sind die Mengen größer. Im Seeverkehr muss für begrenzte Mengen ein Beförderungspapier erstellt werden.
Unterschiede beim füllungsfreien Raum
Hier sind die Regeln des ADR strenger: Laut 4.1.1.4 ADR und IMDG-Code ist bei flüssigen Gefahrgütern in den Verpackungen ein füllungsfreier Raum zu lassen. Die einzuhaltenden Bedingungen sind jedoch im ADR z.T. anders als im IMDG-Code. Die Berechnungsgrundlagen sind im 1. Absatz gleich, jedoch muss laut ADR zusätzlich die Bedingung a) oder b) eingehalten werden. Laut IMDG-Code ist nur für IBC die Bedingung 2) einzuhalten, deren Formel identisch mit Bedingung b) ADR ist.
Soweit diese Verpackungen im Nachlauf aus den Seehäfen sind, darf die Freistellung 1.1.4.2 ADR angewendet werden. Die Verpackungen dürfen also bis zur Beendigung der Beförderung auch unter den Bedingungen des IMDG-Codes befördert werden. Wenn allerdings eine neue Beförderung beginnt, kann es zu Problemen kommen, weil der füllungsfreie Raum laut ADR zu klein ist.
Verbote
Es gibt 13 Stoffe, die laut IMDG-Code Sondervorschrift 900 nicht befördert werden dürfen. Diese Stoffe finden sich bei 24 UN-Nummern wieder. Laut ADR sind aber 14 andere UN-Nummern für die Beförderung verboten, die aber laut IMDG-Code befördert werden dürfen. Es gibt in Anlage 2 der GGVSEB weitere Stoffe, die von der Beförderung ausgeschlossen sind, die aber im Seeverkehr und laut ADR grundsätzlich befördert werden dürfen. Zu nennen sind hier polyhalogenierte Dibenzodioxine und -furane, die außerdem namentlich in der nachfolgenden Tabelle in Anlage 2 der GGVSEB aufgeführt werden.
Bei den Trennregeln in einer Beförderungseinheit gibt es im Seeverkehr weitaus strengere Regeln als bei der Straßenbeförderung. Wer also eine Beförderungseinheit belädt, die anschließend auch im Seeverkehr befördert werden soll, sollte unbedingt die Trennvorschriften des IMDG-Codes beachten.
Zu- und Ablauf im See- und Luftverkehr
Zunächst die gute Nachricht: Wer Gefahrgüter für den Seeverkehr verpackt, kennzeichnet und bezettelt, die so nicht dem ADR entsprechen, darf die Erleichterung aus 1.1.4.2 ADR anwenden. Dies gilt aber nicht für Gefahrgüter, die nach IMDG-Code nicht als gefährlich gelten (siehe oben „Unterschiedliche Klassifizierungen", hier ist das ADR strenger als der IMDG-Code). Außerdem darf das Beförderungspapier für den Seeverkehr auch im Zu- und Nachlauf an Land benutzt werden, wenn alle Angaben laut ADR ebenfalls eingetragen werden. Das heißt z.B., dass dann der Tunnelcode und die Einträge laut 1000-Punkteregel ebenfalls in der IMO-Erklärung zu finden sein müssen. An die laut ADR vorgeschriebene Sprache braucht man sich dann nicht zu halten. Üblicherweise werden die Beförderungsdokumente für den Seeverkehr in Englisch erstellt.
Beförderungspapier
Das Beförderungspapier im Seeverkehr muss eine unterschriebene Konformitätserklärung enthalten. Für Gefahrgüter der Klasse 3 müssen die Flammpunkte aufgeführt werden. Wird das Gefahrgut in Beförderungseinheiten befördert, muss eine Beladeerklärung bzw. ein Container-Packzertifikat erstellt werden. Für Gefahrgüter in begrenzten Mengen müssen im Seeverkehr Beförderungsdokumente erstellt werden. Diese müssen dann auch auf der Straße mitgeführt werden.
Kennzeichnung der Versandstücke
Versandstücke müssen zusätzlich mit dem „richtigen technischen Namen“, beschriftet werden. Eventuell müssen sie außerdem mit der „technischen Benennung“ ergänzt werden.
Plakatierung und Kennzeichnung von Beförderungseinheiten
Während im Straßenverkehr grundsätzlich ein Fahrzeug mit Gefahrgut nur mit neutralen orangefarbigen Tafeln vorne und hinten gekennzeichnet werden braucht, müssen an dieses Fahrzeug, wenn es im Seeverkehr befördert wird, an den Längsseiten und hinten Placards angebracht werden. An Sattelanhängern sogar an allen vier Seiten. Container und Wechselbrücken, die im Seehafen vom Straßenfahrzeug entladen werden, müssen an allen vier Seiten mit Placards und/oder anderen Kennzeichen gekennzeichnet werden. Befindet sich nur ein Gefahrgut mit mehr als 4000 kg im Container muss er sogar an allen vier Seiten zusätzlich mit der UN-Nummer gekennzeichnet werden.
Plakatierung und Kennzeichnung von Tankcontainer
Tankcontainer, die im Seeverkehr befördert werden sollen, müssen an allen vier Seiten mit den Placards und den UN-Nummern gekennzeichnet werden. Zusätzlich müssen sie an den Längsseiten mit dem technischen Namen beschriftet werden.
Häufige Probleme bei der intermodalen Beförderung
Sollen Gefahrgüter aus dem Seeverkehr weiter auf der Straße zum Zielort im Binnenland befördert werden, darf dies gem. 1.1.4.2 ADR durchgeführt werden. Voraussetzung ist aber, dass alle Regeln des IMDG-Codes eingehalten werden. Außerdem müssen die Einträge gem. ADR im Beförderungspapier vorgenommen wurden, um das Beförderungspapier aus dem Seeverkehr weiter benutzen zu können. Oft entsprechen aber die Beförderungspapiere im Seeverkehr nicht dem IMDG-Code, weil der Absender Fehler gemacht hatte, oder es sind die Einträge laut ADR nicht enthalten, weil der Absender außerhalb Europas das ADR nicht kennt. Da der Absender das Beförderungspapier für den Seeverkehr unterschrieben hat, kann es nicht ohne Rücksprache berichtigt oder zusätzliche Einträge vorgenommen werden. Es bleibt in diesen Fällen dann nichts anderes übrig, als ein Beförderungspapier für den Straßenverkehr zu erstellen.
Andere Probleme treten auf, wenn die Verpackungen oder Container nicht richtig für den Seeverkehr gekennzeichnet oder beschriftet worden sind. Dann bleibt zu hoffen, dass die Verpackungen wenigsten dem ADR entsprechen, sonst darf die Sendung auf der Straße nicht befördert werden. Wenn z.B. der technische Name an den Längsseiten eines Tankcontainers im Seeverkehr vergessen wurde, muss der Lkw, der diesen Tankcontainer abholt, vorne und hinten mit orangefarbigen Tafeln ausgerüstet sein, die Kemmlerzahl und UN-Nummern enthalten. Es sei denn der Tankcontainer wird nach dem Löschen aus dem Seeschiff nachträglich für den Seeverkehr richtig beschriftet.
Gernot Severin | Gefahrgut-Experte
Stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen ein aktuelles ADR und aktuellen IMDG-Code hat. Derzeitig müssen ADR 2021 und IMDG-Code 2021 (40-20) angewendet werden. Ab dem 01.01.2023 kommen ein neues ARD und neuer IMDG-Code heraus. Bei der der Einhaltung der Gefahrgutregeln können Ihnen im Zweifel externe Berater*innen helfen.
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