Gefahrgut

24h-Notrufservice – ein Erfahrungsbericht aus der Praxis

Ein Mitglied der Feuerwehr Rotterdam gibt zusammen mit dem ICE (Intervention in Chemical transport Emergencies – Kooperationsprogramm der europäischen Chemie-Industrie) einen Einblick in eine Notfallsituation und den anschließenden Schritten. Alle Namen und Unternehmen wurden anonymisiert.

6 Min.

13.06.2022

Alles ruhig

Im größten Hafen Europas in Rotterdam, geprägt von Unternehmen aus der Öl- und Chemieindustrie, geht ein normaler Arbeitstag zu Ende. Der diensthabende Gefahrgutbeauftragte der Feuerwehr hat gerade Pause, als das Telefon klingelt:

Zwischenfall

17.23 Uhr – Der Anrufer aus dem Umweltamt informiert mich, den Gefahrgutbeauftragten, über einen Zwischenfall auf einem großen Containerterminal im Hafen. Aus einem Tank an Bord eines Frachtschiffs läuft Öl aus. Dieses Öl dient eigentlich zum Schutz seines hochreaktiven Inhalts, nämlich Natrium, welches hermetisch in einem Container versiegelt sein sollte. Da dieses silbrig-weiße Metall stark mit Wasser oder Wasserdampf reagiert, wird es in Öl oder Inertgas wie getrockneter Luft oder trockenem Stickstoffgas in einem versiegelten Container transportiert. Würde sich das Natrium mit Luft entzünden, könnte sich das schnell auf das gesamte Schiff und darüber hinaus ausbreiten.

Der Gefahrgutbeauftragte vor Ort bestätigt, dass es sich um ein Ölleck aus einem 20-Fuß-Tank handelt, der Natrium (UN1428) enthält. Die Standardprozedur wäre, den Tank an einem speziell dafür vorgesehenen Ort zu entladen, aber da der endgültige Bestimmungsort nicht Rotterdam ist, wurde dies nicht getan. Da ich die gefährlichen Eigenschaften von Natrium kenne, rate ich dringend dazu, die sofortige Entladung zu veranlassen. In der Zwischenzeit überprüft die Hafenbehörde die Ladeliste, um festzustellen, was sich noch an Bord befindet.

Informationssuche

18.11 Uhr – Ich erhalte die Information, dass sich vier weitere Container mit etwa 23 Tonnen Natrium an Bord befinden. Diese Container werden überprüft, sind zum Glück unversehrt und können so ihre Reise fortsetzen.

18.35 Uhr – Ich bitte um ein Foto des Containers und kann auf diesem das Transportunternehmen erkennen. Auf deren Internetseite finde ich das entsprechende Sicherheitsdatenblatt, allerdings gibt es keine genauen Informationen darüber, wie das Natrium transportiert wurde: unter Inertgas oder Öl und wenn Öl, welche Art von Öl.

18.41 Uhr – Auch ein Foto des Transportdokuments enthält keine weiteren Informationen. Allerdings fällt ein großer roter Stempel auf, der auf einen in den USA ansässigen 24h-Notrufservice hinweist, der rund um die Uhr unter einer Notrufnummer erreichbar sein soll.

Es klingelt, aber keiner hebt ab. Nach einem zweiten Versuch geht ein Anrufbeantworter an. Enttäuscht von dem nicht erreichbaren 24h-Support rufe ich das Transportunternehmen an. Aber auch hier erreiche ich niemanden.

In der Zwischenzeit tritt weiterhin Öl aus dem Container aus und wir wissen immer noch nicht genau, um welche Art von Öl es sich handelt und wie genau das Natrium verpackt ist.

19.26 Uhr – Ich erhalte die Nachricht, dass der beschädigte Container mit einem flüssigkeitsdichten Spezialtransport auf einen gesicherten Platz im Containerterminal gebracht werden konnte.

Persönliches Netzwerk

19.45 Uhr – Da mir die offiziellen Informationsquellen ausgehen, wende ich mich an mein persönliches Netzwerk von Gefahrgutspezialisten. Ich rufe einen Notfallmanager bei einer der größten Raffinerien in den Niederlanden an.

20.00 Uhr – Meine Kontaktperson teilt mir mit, dass Paraffinöl die wahrscheinlichste Wahl für den Transport von Natrium ist. Er ist bereit, uns dieses Öl kurzfristig zur Verfügung zu stellen. Manchmal wird auch Kerosin verwendet, aber Kerosin ist an seinem besonderen Geruch zu erkennen und die Berichte von vor Ort lauteten, dass das Öl geruchlos war.

20.15 Uhr – Ich wende mich an die Beratungsstelle des ICE und bitte um Hilfe. Daraufhin verbinden sie mich mit ihrer niederländischen Zentrale. Innerhalb von 30 Minuten wird die Telefonnummer des Natriumherstellers in Frankreich genannt.

20.55 Uhr – Mein Kollege kontaktiert den Natriumhersteller. Es ist nach Büroschluss und nur das Sicherheitsteam ist da. Sie sprechen nur Französisch. In der Zwischenzeit muss eigentlich das Öl im Natriumtank nachgefüllt werden, aber was für ein Öl ist es?

Kontakt zum 24h-Notrufservice

20.57 Uhr – Endlich Kontakt mit dem 24h-Notrufservice in den USA. Dort gibt es eine technische Störung und das Gespräch wird abgebrochen.

21.47 Uhr – Fast eine Stunde später wird der Kontakt mit dem 24h-Notrufservice wiederhergestellt. Sie können keinen sofortigen Rat geben, da sie erst mit dem Hersteller sprechen müssen.

22.33 Uhr – Das Rätsel um das Öl ist endlich gelöst, fünf Stunden nach dem ersten Anruf. Der Empfänger des Containers sagt, dass es sich bei dem auslaufenden Öl um Thermoöl handelt. Die Mitarbeiter können nun mit dieser Information die Situation vor Ort entschärfen.

Jens Fisser | Experte für Globalchem24

Unsere Empfehlung

Glücklicherweise endet diese Situation nicht mit einem Natriumbrand und dessen unvorhersehbaren Folgen für Mensch und Umwelt. Ganz zu schweigen von den schwerwiegenden Auswirkungen auf die Lieferkette, von denen mehrere Unternehmen betroffen sein können. Es gibt aber einiges, das nicht gut gelaufen ist:

  1. Das Sicherheitsdatenblatt hat nicht genügend Informationen enthalten, um im Falle eines Zwischenfalls hilfreich für die beteiligten Personen vor Ort zu sein. Beurteilen Sie bei der Erstellung von Dokumenten sorgfältig, welche spezifischen Informationen im Falle eines Zwischenfalls nützlich sein könnten und nehmen Sie diese in Ihr Sicherheitsdatenblatt und Ihre Transportunterlagen auf.
  2. Der 24h-Notrufservice war nicht sofort erreichbar, sondern zuerst nur ein Anrufbeantworter. Auch konnte nicht umgehend beraten werden, es mussten selbst noch Informationen eingeholt werden. Zudem gab es technische Schwierigkeiten. Testen Sie Ihren Anbieter oder wenn Sie eine firmeninterne Lösung haben, simulieren Sie einen Zwischenfall, damit in einem Ernstfall alles reibungslos läuft.

Durch gute Planung und Vorbereitung lassen sich viele Zwischenfälle vermeiden, aber es kommt unweigerlich auch zu solchen Vorfällen. Unternehmen, die über ein verlässliches und vor allem getestetes Notfallsystem verfügen, sind besser in der Lage, Zwischenfälle schneller und sicherer zu beheben als auch Mensch und Umwelt sowie ihr Image zu schützen.

Gern unterstützen wir Sie mit unserem Service. Mit GlobalChem24 steht Ihnen der erfahrenste 24h-Notrufnummern-Service weltweit zur Seite, wenn es um die Einhaltung diverser nationaler Regularien für den Gefahrguttransport und die Notrufnummer in Sicherheitsdatenblättern geht. Wir beraten Sie zu jeder Zeit in mehr als 150 Sprachen schnell und zuverlässig bei jedem Zwischenfall!

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Wir  führen Sie sicheren Schrittes durch die komplexen chemikalienrechtlichen Bestimmungen. Zuverlässig, professionell und persönlich.  Am Ende stehen pragmatische Lösungen, die Bestand haben.

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Julia Hunke - Blog
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