Der Grundgedanke der sogenannten „Handwerkerreglung“ ist die Erwartung, dass eine Person, die mit dem jeweiligen gefährlichen Gut arbeitet und damit hinreichend vertraut ist, dessen Gefährlichkeit kennt bzw. einschätzen kann. Sie befördert dieses Gefahrgut in sicherer Weise zum Ver- oder Gebrauch, auch wenn nicht alle gefahrgutrelevanten Vorschriften zur Anwendung kommen. Trotzdem unterliegt diese Reglung nationalen Auslegungsrichtlinien und Beschränkungen.
Die „Handwerkerreglung“ beruht auf einer Freistellung von den Gefahrgutvorschriften Straße im Zusammenhang mit der Art der Beförderungsdurchführung gem. 1.1.3.1 c) ADR.
Freigestellt sind demnach die in diesem Unterabschnitt genannten Beförderungen. Diese werden von Unternehmen in Verbindung mit ihrer Haupttätigkeit durchgeführt, wie Lieferungen für oder Rücklieferungen von Baustellen im Hoch- und Tiefbau oder im Zusammenhang mit Messungen, Reparatur- und Wartungsarbeiten. Dabei legt das ADR fest, dass die Mengen je Verpackung, einschließlich Großpackmittel (IBC) und Großverpackung 450 Liter je Verpackung nicht überschritten werden dürfen. Damit wird eine allgemeine Höchstmenge an Gefahrgut je Versandstück festgelegt.
Zusätzlich wird eine weitere Mengenhöchstgrenze für die Beförderungseinheit, sprich das Fahrzeug, festgelegt. Die Höchstmengen an Gefahrgütern im Fahrzeug darf die in Unterabschnitt 1.1.3.6 ADR festgelegten höchstzulässigen Mengen nicht überschreiten.
Das bedeutet für den Anwender der Vorschrift, dass sich dieser über die zutreffende Gefahrgutklasse, den Klassifizierungscode oder die Verpackungsgruppe vor der Beförderung informieren muss, um über die entsprechend zugewiesene Beförderungskategorie die erlaubte Menge an Gefahrgütern nach der sogenannten „Freimengenregelung/1000 Punkte-Regelung“ mit Hilfe der Tabelle des Unterabschnitts 1.1.3.6.3 ADR zu ermitteln.
Ausgenommen von der „Handwerkerreglung“ sind Beförderungen von Gefahrgütern der Klasse 7 und Beförderungen, die von den Unternehmen zu ihrer internen oder externen Versorgung durchgeführt werden. Die Beförderung muss der Verrichtung eines Gewerkes dienen und darf keine „Speditionsdienstleistung“ darstellen, wie z.B. bei Beförderungen zum Auffüllen des Materiallagers.
Hinsichtlich weiterer Beförderungsbedingungen schreibt die Regelung das Treffen von Maßnahmen vor, die unter normalen Beförderungsbedingungen ein Freiwerden des Inhalts verhindern.
Bei Einhaltung der beschriebenen Anforderungen, wären auf Grundlage des ADR keine weiteren Maßnahmen erforderlich. So kann auf eine UN-geprüfte Verpackung oder auf das Markieren und Kennzeichnen von Versandstücken mit Gefahrzettel und UN-Nummer verzichtet werden. Ein Beförderungspapier oder bestimmte Ausrüstungsgegenstände für das Fahrzeug, wie z.B. ein 2 kg Feuerlöscher, sind nicht erforderlich.
Erläuterungen zu den Vorschriften des ADR werden durch die Durchführungsrichtlinien-Gefahrgut (RSEB) für die nationalen Beförderungen an die Hand gegeben.
Fragen und Unsicherheiten, die sich aus der Anwendung der “Handwerkerreglung“ des ADR in der Rechtswirklichkeit ergeben, sollen u.a. mit Hilfe der Durchführungsrichtlinien-Gefahrgut für die Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (RSEB) geklärt werden. So sprechen die Richtlinien in ihren Allgemeinen Hinweisen zu den Freistellungsregelungen in Unterabschnitt 1.1.3.1 c) davon, was man z.B. unter den oben bereits genannten Beförderungen von Unternehmen in Zusammenhang mit ihrer Haupttätigkeit versteht.
Dies kann z.B. die Mitnahme von Brennstoff in einem transportablen Brennstoffbehälter sein, den ein Unternehmen für den Betrieb seiner Maschinen an der Baustelle benötigt.
Wie bereits dargestellt, fallen reine Speditionsdienstleistungen nicht unter die Freistellung. Dies wird durch die Richtlinien nochmal bestätigt und diese nennen als weiteres Beispiel der nicht erlaubten Anwendung der „Handwerkerregelung“ die Beförderungen von einer Produktionsanlage zu einer anderen innerhalb eines Unternehmens, jedoch außerhalb des Betriebsgeländes. Dies gilt ebenfalls für Zwischenversorgungen zu Tankanlagen.
Auch wird in den Richtlinien eine konkretisierende Aussage zur allgemeinen Höchstmenge je Versandstück getroffen. So heißt es dort, dass mit der Angabe 450 Liter je Verpackung eine Angabe der tatsächlich eingefüllten Menge unabhängig vom Fassungsraum der Verpackung gemeint ist.
Weitere Angaben zu den praktischen Handhabungs- und Verladebedingungen werden ebenfalls in den Richtlinien gemacht. Wenn im ADR von der Regelung im Zusammenhang mit 1.1.3.1 c) nur von normalen Beförderungsbedingungen gesprochen wird, versteht die Richtline darunter mehr.
Erforderlich sind demnach
Die Richtlinien nennen weitere Beispiele zur Freistellung von Beförderungen zum direkten Verbrauch, wie
sofern die jeweilige Beförderung z.B. zu oder von einem Kunden bzw. Einsatzort erfolgt.
Freigestellt ist ebenfalls die Beförderung von Lithiumbatterien (Ersatzbatterien), die zum Betrieb seiner (des Handwerkers) Maschinen und Geräte benötigt werden zum Kunden oder Einsatzort und zurück. Bei mitgeführten Lithium-Ionen-Batterien der UN-Nummern 3480 und 3481, sowie bei Lithium-Metall-Batterien der UN-Nummern 3090 und 3091 sind geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Beschädigungen der Batterien zu treffen.
Die nationale Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn, Binnenschiff (GGVSEB) schränkt die dargestellte Regelung des ADR ein.
In der GGVSEB Anlage 2 Punkt 2.1c sind Beschränkungen geregelt, die für die nationale Beförderung beachtet werden müssen.
Danach gelten für die Mitnahme der zu nennenden Stoffe folgende Mengenbeschränkungen:
Gem. GGVSEB müssen für die Handwerkerregelung die „Allgemeinen Verpackungsvorschriften“ nach den Unterabschnitten 4.1.1.1, 4.1.1.2, 4.1.1.6, und 4.1.1.7 ADR beachtet werden.
Für Stoffe und Gegenstände der Klasse 2 gelten die allgemeinen Verpackungsvorschriften nach Unterabschnitt 4.1.6.8 ADR.
Willi Weßelowscky | Gefahrgut-Experte
Die „Handwerkerreglung“ stellt für den Anwender eine Erleichterung für die Beförderung von Gefahrgut zur Verrichtung seines Gewerkes dar. Er sollte ausreichend Kenntnisse über die Gefahreneigenschaften der verwendeten Stoffe und Gegenstände haben und sich mit einschlägigen Vorschriften aus den Gefahrgutregularien, vor allem hinsichtlich der Handhabung und der Mengenbeschränkungen, vertraut machen.
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