Diese Fallstudie wurde von der Health and Safety Executive (HSE) Großbritanniens zur Verfügung gestellt. Die staatliche Behörde hat sowohl den Spediteur als auch den Versender wegen dieses Vorfalls strafrechtlich verfolgt. Obwohl es sich hier um einen Vorfall in Großbritannien handelt, werden Vorfälle ähnlicher Art weltweit mit vergleichbaren Maßnahmen geahndet.
Ein Fahrer eines Spediteurs holte einen Anhänger ab, der beim Versender beladen wurde und an den Endkunden geliefert werden sollte. Geladen waren unterschiedliche Produkte, darunter sieben Paletten mit 20-Liter-Kunststoffbehältern, gefüllt mit einer ätzenden Substanz (Kaliumhydroxid), die schwere Augen- und Hautschäden verursachen kann und als gefährlich für den Transport eingestuft ist. Insgesamt befanden sich auf dem Anhänger etwas mehr als vier Tonnen Kaliumhydroxid.
Auf einer Raststätte stellte der Fahrer fest, dass die Ladung auslief und rief seinen Transportleiter an, um ihn darüber zu informieren. Der Fahrer bat daraufhin ausdrücklich darum, den Notdienst zu rufen. Er erhielt allerdings die Weisung, zum nächstgelegenen Betriebshof zurückzukehren – rund 20 Kilometer entfernt. Der Fahrer befolgte die Anweisung, wobei während der gesamten Fahrt Kaliumhydroxid aus seiner Ladung auslief.
Auf dem Betriebshof wurde versucht, die Freisetzung zu beheben, aber das Ausmaß des Vorfalls war zu groß und es wurde schließlich beschlossen, die Rettungsdienste zu verständigen. Zwei Stunden, nachdem das erste Leck entdeckt worden war.
Sechs Feuerwehrfahrzeuge waren vor Ort und spritzten die kontaminierten Bereiche ab, darunter auch den Lastwagen und den Transporthof. Der Fahrer und der Lagerverwalter kamen mit dem ätzenden Material in Berührung, als sie versuchten, das Leck zu beseitigen. Die Rettungsdienste untersuchten auch den Boden der Raststätte, um festzustellen, ob sich noch freigesetztes Material auf dem Boden befindet.
Die getroffenen Entscheidungen gefährdeten nicht nur den Fahrer und die Mitarbeitenden des Betriebshofs, sondern erhöhten auch das Risiko von Gefährdungen der Öffentlichkeit (die möglicherweise auf dem Rastplatz oder auf der Rückfahrt mit dem freigesetzten Material in Berührung kam) und vergrößerten die Auswirkungen auf die Umwelt erheblich, da sich die Freisetzung weiter ausbreitete.
Die HSE untersuchte den Vorfall und fand mehrere Ursachen für das Leck. Die unmittelbarste Ursache war, dass die Deckel auf den Behältern nicht ausreichend angezogen waren. Darüber hinaus war die Ladung nicht sachgemäß verladen und gesichert worden. Das Personal des Versenders war nicht entsprechend geschult und unterwiesen worden.
Die HSE kam zu dem Schluss, dass sowohl der Spediteur als auch der Versender in empfindlichem Maße gegen die Vorschriften verstoßen hatten und leitete daher gegen beide Parteien ein Strafverfahren ein.
Der Spediteur wurde wegen folgender Verstöße zu einer Geldstrafe von 20.000 £ (~ 23.000 €) und Gerichtskosten von 3.400 £ (~ 3.900 €) verurteilt:
Der Versender erhielt die gleiche Geldstrafe für die folgenden Verstöße:
Überdies entstanden sowohl dem Versender als auch dem Spediteur zahlreiche weitere Kosten durch Zeitverluste, Aufräumarbeiten, Produktverluste und Reparaturen am Fahrzeug (sowie dem Imageschaden, welcher nicht ungeachtet bleiben sollte). Glücklicherweise kam es nicht zu schweren Verletzungen oder erheblichen Umweltschäden – in solch einem Fall wären die Verantwortlichen härter bestraft worden.
Hätte der Fahrer durch einen erfahrenen Notfalldienst eine Beratung erhalten, wären das Ausmaß des Vorfalls und die Geldstrafen deutlich geringer ausgefallen. Unter diesen Umständen hätte man dem Fahrer raten sollen, sofort den Notdienst zu verständigen und anschließend geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um seine Sicherheit und die der Öffentlichkeit zu gewährleisten. Dies ist umso wichtiger, wenn gefährliche Produkte grenzüberschreitend und international transportiert werden. Die Mitarbeitenden müssen stets Zugang zu sofortigen, umsetzbaren und maßgeschneiderten Ratschlägen haben.
Jens Fisser | Experte für Globalchem24
Einzelpersonen und Unternehmen, die an der Handhabung und Beförderung gefährlicher Güter beteiligt sind, haben gesetzliche Verpflichtungen, die im ADR festgelegt sind. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass alle am Beladen, Verpacken und Befüllen einer Ladung beteiligten Personen sowie der Fahrer über ausreichende Kenntnisse verfügen, um ihre Aufgaben sicher wahrnehmen zu können. Wirksame Schulungsmaßnahmen dienen der Sicherheit Ihrer Mitarbeitenden und anderer Verkehrsteilnehmer und werden auch im Rahmen von Audits bewertet. So ist die Bestellung eines Gefahrgutbeauftragten ein entscheidender Schritt, um sicherzustellen, dass Ihr Unternehmen alle Aspekte der Vorschriften für den Gefahrguttransport erfüllt.
Wie in diesem Fallbeispiel dargestellt, können die Kosten eines Vorfalls erheblich eskalieren, wenn die Maßnahmen zum Risikomanagement nicht entsprechend etabliert sind. Werden diese erst im Nachhinein installiert – wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist – ist an der falschen Stelle gespart. Regelmäßige Unterweisungen und die Überprüfung der Maßnahmen sparen Buß-, Anwalts- und Gerichtskosten und lassen sich besser über einen längeren Zeitraum einsteuern. Zudem schaffen Maßnahmen zur Risikominimierung stets einen Mehrwert für Ihre Lieferanten- und Kundenbeziehungen.
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