Gefahrgut

Sind Fahrzeuge Gefahrgut? – Beförderung in der Luft

Wussten Sie es? Fahrzeuge sind bei der Beförderung zu Land, Luft oder See Gefahrgüter! Wahrscheinlich wussten Sie es bereits, aber da es manchmal noch zu Irritationen kommt, haben wir einen Zweiteiler zum Thema für Sie zusammengestellt. Zwar ist ein Auto ein Gebrauchsgegenstand und solche sind nicht als Gefahrgut zu betrachten, wird es jedoch transportiert, wird es zum Gefahrgut. In der letzten Woche haben wir uns bereits dem Transport zu Straße und See gewidmet. Heute gehen wir mit Ihnen in die Luft.

10 Min.

01.06.2021

Fahrzeuge als Gefahrgut

Grundsätzlich lässt sich feststellen, Fahrzeuge sind, sofern sie befördert werden, immer Gefahrgüter., denn:

Definitionsgemäß sind gefährliche Güter Stoffe und Gegenstände, von denen auf Grund ihrer Natur, ihrer Eigenschaften oder ihres Zustandes im Zusammenhang mit der Beförderung Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere für die Allgemeinheit, für wichtige Gemeingüter, für Leben und Gesundheit von Menschen sowie für Tiere und Sachen ausgehen können.

Da sich in den Fahrzeugen entzündbare Flüssigkeiten (z.B. Benzin, Diesel), ätzende Stoffe (z.B. Batteriesäure), explosive Stoffe (Airbags), Gase (z.B. Reifen, Erdgas, Autogas) oder auch sonstige gefährliche Gefahrgüter (z.B. Lithiumbatterien, Altöl) befinden, trifft dies also auf Fahrzeuge zu.

Der Begriff Gefahrgut steht immer in Zusammenhang mit einer Beförderung. Mit dem Begriff Beförderung wiederum ist jedoch nicht nur der reine Ortswechsel gemeint, sondern auch die Vor- und Nacharbeiten. Als Beispiel können hier die Erstellung von Beförderungspapieren oder der zeitweilige Aufenthalt genannt werden.

Aber keine Sorge, wird das Fahrzeug entsprechend seines Zweckes genutzt, handelt es sich natürlich weiterhin um einen Gebrauchsgegenstand und nicht um ein Gefahrgut!

Regelwerke für alle Verkehrsträger

Laut ADR, IMDG-Code und IATA sind Fahrzeuge Gefahrgüter. Hier wird nach dem Antrieb unterschieden:

Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren

UN 3166 
FAHRZEUG MIT ANTRIEB DURCH ENTZÜNDBARES GAS oder FAHRZEUG MIT ANTRIEB DURCH ENTZÜNDBARE FLÜSSIGKEIT oder BRENNSTOFFZELLEN-FAHRZEUG MIT ANTRIEB DURCH ENTZÜNDBARES GAS oder BRENNSTOFFZELLEN-FAHRZEUG MIT ANTRIEB DURCH ENTZÜNDBARE FLÜSSIGKEIT, 
Klasse 9

Fahrzeuge mit Batterieantrieb

UN 3171
BATTERIEBETRIEBENES FAHRZEUG,
Klasse 9

Dies schließt nicht nur Straßenfahrzeuge ein, sondern auch Wasser- (Boote und Schiffe) und Luftfahrzeuge (Flugzeuge) sowie unbenannte Fahrzeuge.

Beförderung im Luftverkehr

Sollen Fahrzeuge per Flugzeug versenden werden, dann spielt es eine Rolle, über welche Art von Antrieb das entsprechende Fahrzeug verfügt. Grundsätzlich gibt es folgende Fahrzeug-Typen:

UN 3166 Brennstoffzellen-Fahrzeug mit Antrieb durch entzündbare Flüssigkeit, Klasse 9

UN 3166 Fahrzeug mit Antrieb durch entzündbare Flüssigkeit, Klasse 9

  • Fahrzeuge, die durch eine entzündbare Flüssigkeit angetrieben werden, dürfen mit Passagier- und Frachtflugzeugen befördert werden. Hier muss die Verpackungsanweisung 950 beachtet werden.

 

UN 3166 Brennstoffzellen-Fahrzeug mit Antrieb durch entzündbares Gas, Klasse 9

UN 3166 Fahrzeug mit Antrieb durch entzündbares Gas, Klasse 9

  • Fahrzeuge, die durch entzündbare Gase angetrieben werden, dürfen nur mit einem Frachtflugzeug befördert werden (CAO). Hier muss die Verpackungsanweisung 951 beachtet werden.

 

Für die Fahrzeuge, die nicht batteriebetrieben werden, müssen die Sonderbestimmungen A70, A87, A118, A120, A214 und für Brennstoffzellenfahrzeuge zusätzlich die Sonderbestimmung A176 beachtet werden.

 

UN 3171 Batteriebetriebenes Fahrzeug, Klasse 9

  • Batteriebetriebene Fahrzeuge dürfen mit Passagier- und Frachtflugzeugen befördert werden. Hier muss die Verpackungsanweisung 952 beachtet werden.
  • Für batteriebetriebene Fahrzeuge müssen die Sonderbestimmungen A67, A87, A94, A164 und A214 beachtet werden.

 

Fahrzeuge, die mit mehreren unterschiedlichen Antrieben betrieben werden, müssen jedem für den Antrieb vorgeschriebenen Verpackungsanweisung entsprechen.

Welche Bedeutungen haben diese Sonderbestimmungen?

Sonderbestimmungen für Fahrzeuge der UN 3166:

  • A70: Die in den Fahrzeugen verbauten Motoren unterliegen nicht den Bestimmungen der IATA, vorausgesetzt die in IATA benannten Punkte werden eingehalten. Das gleiche gilt für Motoren, die separat versendet werden (siehe UN 3528, UN 3529 und UN 3530).
  • A87: Wenn die Fahrzeuge nicht oder nicht vollständig verpackt werden, brauchen sie nicht als Gefahrgut markiert zu werden.
  • A118: Als Sprengstoff klassifizierte Gegenstände müssen aus dem Fahrzeug entfernt werden und unter den entsprechenden Bestimmungen befördert werden. Damit sind nicht die Airbags oder Gurtstraffer gemeint. Siehe Verpackungsanweisung (VA) 950 und 951.
  • A120: Dieser Eintrag ist nicht auf bestimmte Fahrzeuge beschränkt.
  • A214: UN 3166 beinhaltet Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren und mit Antrieb durch Brennstoffzellen.
  • A176: Eingebaute Metallhydridspeichersysteme müssen vor der Annahme von der zuständigen Behörde (in Deutschland das Luftfahrt-Bundesamt Sachgebiet B 32) genehmigt werden.

 

Sonderbestimmungen für batteriebetriebene Fahrzeuge:

  • A67: Die Batterien müssen auslaufsicher sein. Das sind sie, wenn sie die Vibrations- und Druckdifferenzprüfungen aushalten ohne Flüssigkeit zu verlieren. Anschließend folgt eine Beschreibung der Prüfungen.
  • A94: Vorschrift für Natriumbatterien
  • A164: Batteriebetriebene Fahrzeuge, die Ursache einer gefährlichen Wärmeentwicklung sein können, müssen speziell vorbereitet werden.
  • A214: Für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren oder Brennstoffzellenantrieb muss UN 3166 genommen werden.

Die Verpackungsanweisungen

Bei der Verpackungsanweisung (VA) muss beachtet werden, dass viele Länder und Airlines ihre eigenen Regeln haben und teilweise einige Gefahrgüter überhaupt nicht befördern. Darüber hinaus haben einige Länder besondere Vorschriften, die beachtet werden müssen. Als Beispiel sei die 24h-Notfallnummer genannt. Für Fahrzeuge gibt es allerdings keine besonderen Vorschriften der Länder. In der Kopfzeile der Verpackungsanweisung stehen die Codes der einzelnen Abweichungen, die dann in Kapitel 2.8.4 nachgeschlagen werden können. Der erfahrene Luftspediteur wird hier zuerst nachsehen.

VA 950:

  • Kraftstofftanks mit entzündbaren Flüssigkeiten, außer Dieseltanks, müssen entleert und die Tankverschlüsse sicher befestigt sein. Wenn die Fahrzeuge nicht in der aufrechten Position befördert werden, müssen spezielle Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt werden, die Tanks vollständig zu entleeren.
  • Die Tanks von Dieselfahrzeugen brauchen nicht entleert zu werden. Aber es muss sichergestellt werden, dass ein ausreichend großer füllungsfreier Raum bleibt, um eine Kraftstoffausdehnung ohne Freiwerden des Kraftstoffes zu erlauben.
  • Batterien müssen eingebaut, sicher befestigt und so geschützt sein, dass Beschädigungen und Kurzschlüsse verhindert werden.
  • Gefährliche Güter, die für den Betrieb des Fahrzeugs erforderlich sind, wie Feuerlöscher, Reifenfüllkanister und Sicherheitsgeräte müssen sicher im Fahrzeug montiert sein. Fahrzeuge, welche gefährliche Güter enthalten, die nicht mit Passagierflugzeugen befördert werden dürfen, können nur mit Frachtflugzeugen befördert werden.
  • Elektrische Geräte müssen abgeschaltet werden.

 

VA 951:

  • Die Kraftstoffbehälter einschließlich Leitungen der gasbetriebenen Fahrzeuge müssen vollständig von jeder Spur von Gas entleert sein. Um das zu gewähren, müssen alle Ventile geöffnet bleiben. Die Verbindungen zu Gasreglern müssen bei der Anlieferung demontiert sein. Beim Einladen müssen die Gasventile wieder geschlossen und die Regler montiert werden.
  • Gasbetriebene Fahrzeuge, die mit automatischen elektronischen oder mit Hand zu bedienenden Ventilen ausgestattet sind, können auch unter den folgenden Bedingungen befördert werden:
  1. Die Ventile müssen geschlossen sein und bei automatischen Ventilen muss der Strom abgeschaltet sein.
  2. Vor dem Einladen muss der Motor solange betreiben werden, bis er wegen Treibstoffmangels aus geht.
  3. Das im System verbliebene Gas darf nicht mehr als 5% des max. Drucks oder nicht mehr als 20 bar aufweisen, je nachdem was niedriger ist.
  4. Kein Flüssiggasrest darf im System vorhanden sein, einschließlich des Tanks.
  • Für Fahrzeuge, die mit Gas und mit entzündbaren Flüssigkeiten betrieben werden, müssen beiden Verpackungsanweisungen VA 950 und VA 951 eingehalten werden.
  • Die Vorschriften für die Batterie und andere Betriebseinrichtungen sind identisch zu VA 950.

 

VA 952:

  • Wenn das Fahrzeug nicht in einer aufrechten Position befördert wird, muss es so in der Verpackung gesichert werden, dass es sich nicht bewegen oder beschädigt werden kann.
  • Das Fahrzeug muss so verpackt sein, dass es nicht unbeabsichtigt in Betrieb genommen werden kann.
  • Alle Batterien müssen fest eingebaut und so gesichert sein, dass Beschädigungen und Kurzschlüsse verhindert werden.
  • Nassbatterien, die nicht in den Halterungen bleiben würden, müssen entfernt werden.
  • Lithiumbatterien müssen 3.9.2.6.1 IATA entsprechen (Prüfzusammenfassung usw.).
  • Defekte Lithiumbatterien, von denen eine Gefahr ausgeht, sind verboten.
  • Für andere Betriebseinrichtungen und elektrische Geräte gilt das Gleiche wie in VA 950 und VA 951.

 

Fazit

Wie erläutert ist die Beförderung von Fahrzeugen also immer eine Beförderung von Gefahrgut. Zwar dürfen bei der Beförderung über Land Erleichterungen oder Befreiungen in Anspruch genommen werden und auch bei der Beförderungen per Seeschiff ist dies unter Umständen möglich, bei der Beförderung mit einem Flugzeug sind jedoch bis auf die Ausrüstung keine Erleichterungen möglich.

Gernot Severin | Gefahrgut-Experte

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