Verglichen mit dem gesamten industriellen Wachstum hat sich gerade der Chemiesektor in den letzten 30 Jahren sehr stark entwickelt, was sich auch an Chinas Steigerung des Umsatzanteils von 30 % an der globalen Chemieindustrie im internationalen Vergleich festmachen lässt.
Damit einhergehend ist auch der Gefahrgutanteil in den vergangenen Jahren stark gewachsen, gleichzeitig stiegen im Zuge dessen die Gefahrguttransporte an. In 2016 wurden nach Angaben des chinesischen Verkehrsministeriums (Ministry of Transport (MOT)) mehr als 1,6 Milliarden Tonnen gefährlicher Güter befördert. Davon entfielen rund 60 % auf den Straßentransport. An dieser Beförderung waren insgesamt 10.900 Speditionen mit rund 350.000 Fahrzeugen und 720.000 Fahrern beteiligt. Alle Beteiligten beförderten insgesamt bis zu einer Milliarde Tonnen gefährlicher Güter und die Fachleute wissen um die Gesundheits- und Sicherheitsrisiken für Mensch und Umwelt beim Gefahrguttransport.
Gemessen an der rasanten Entwicklung dieser Beförderungsmengen haben die regulatorischen Rahmenbedingungen nicht Schritt gehalten. In China gibt es kein wirksames Rechtssystem für den Gefahrguttransport, wie es in den letzten Jahrzehnten z.B. mit dem ADR entwickelt wurde.
China hat bereits die UN-Modellvorschriften für den internationalen Luftverkehr (ICAO-TI) und damit auch die IATA-DGR, als auch den International Maritime Dangerous Goods Code (IMDG-Code) für den Seeverkehr verabschiedet, jedoch gibt es noch kein angenommenes internationales Übereinkommen über den Straßenverkehr. Der erste Schritt in diese Richtung ist aber wahrscheinlich bereits mit der Inkraftsetzung des technischen Standards JT/T 617 gemacht, welcher sich partiell an das europäische ADR anlehnt. Weiterhin gibt es dennoch eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen, Normen und Zulassungen, die uneinheitlich und je nach Region verschieden sind. Das macht die europäische „Versendersicht“ von außen auf innerchinesische Gefahrguttransporte nicht einfacher.
Es existiert weder ein wirksames System zur Überwachung der Beförderungsvorgänge oder Speditionsunternehmen durch die Aufsichtsbehörden, noch für die Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen für z.B. Fahrzeuge, Tanks, Versandstücke. Der Grund hierfür wird hauptsächlich in mangelnden technischen Kapazitäten auf allen Verwaltungsebenen gesehen.
Auch bestehen für den privaten Sektor keine klaren Regeln. In einer Vielzahl von Fällen fehlen die technischen Kapazitäten, um einen sicheren Gefahrguttransport zu gewährleisten. Die Funktion eines „Gefahrgutbeauftragten“, so wie sie das europäische ADR kennt und vorschreibt, ist in China gänzlich unbekannt. Es bestehen Mängel hinsichtlich der ausreichenden aufgaben- und sicherheitsbezogenen Unterweisungen der Mitarbeiter. Darüber hinaus mangelt es an Zahlen, welche z.B. vom Chinesischen Ministerium für Öffentliche Sicherheit erhoben werden. So gab es zwischen 2008 und 2012 rund 50.000 Unfälle mit Gefahrgut, von denen rund 76 % im Straßenverkehr aufgetreten sind.
Eine Situation, die alle beteiligten Akteure vor Herausforderungen stellt und das Erarbeiten von Lösungen erfordert, in einem kollegialen und wertschätzenden Erfahrungsaustauschs zwischen Chinesen und Europäern.
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