Arbeitsschutz

Gefährdungsbeurteilungen nach BetrSichV

Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Element in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Denn wo keine Beurteilung stattfindet, kann auch keine Schutzmaßnahme bestimmt werden. Doch was muss eigentlich beurteilt werden? Wer beurteilt und vor allem, wie sieht es mit der Verantwortung aus? 

6 Min.

21.07.2022

Was ist Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung?

Im Grunde muss eine Gefährdungsbeurteilung für jedes Arbeitsmittel in Ihrem Unternehmen durchgeführt werden. Diese Arbeitsmittel sind „Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen, die für die Arbeit verwendet werden“ (§ 2 Abs. 1 BetrSichV).
Diese Aufzählung in der BetrSichV umschreibt hier nur den groben Rahmen. Denn spätestens bei der Betrachtung des Begriffes „Gerät“ wird einem klar, dass hiermit so gut wie alles gemeint ist, was für die Verrichtung der Arbeit benötigt wird. Somit reicht der Begriff Arbeitsmittel vom einfachen Kugelschreiber bis hin zu Roboterarmen in einer Mensch-Roboter Kollaboration.

Gefährdungsbeurteilungen für Bleistift und Co.?

Nein! Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 08.05.1996 (Az. 5 AZR 315/95) eine wichtige Aussage getroffen: „Arbeitsschutzrecht soll die Arbeitnehmer vor erhöhten Gefahren schützen, die ihnen durch die Arbeit drohen, nicht aber gegen das allgemeine Lebensrisiko aller Menschen.“

Ohne so ein Verständnis kann das Thema der Gefährdungsbeurteilung leicht zu einem Fass ohne Boden mutieren und wird schnell zum Selbstzweck. Zudem fordert die BetrSichV auch in keinem Punkt das Erreichen eines „Nullrisikos“.
Viel wichtiger ist, das eigentliche Ziel vor Augen zu haben und die Mitarbeitenden mit Hilfe von sinnvollen Gefährdungsbeurteilungen vor real auftretenden Gefahren zu schützen.

Wann ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen?

Gemäß BetrSichV soll der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung bereits vor der Beschaffung des Arbeitsmittels durchführen (§ 3 Abs. 3 BetrSichV). Auch wenn es nicht verboten ist, ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung Arbeitsmittel einzukaufen, erspart sie einem im Nachhinein eventuell einige Probleme. Denn, wenn die Gefährdungsbeurteilung im Nachhinein ergibt, dass das Arbeitsmittel nicht sicher ist, hat man zwei unwirtschaftliche Alternativen:

  • Nichtverwendung oder
  • Schutzmaßnahmen bis hin zu Umrüstungen

Während die BetrSichV also vor der Beschaffung nur an den Arbeitgeber appelliert, eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen, wird sie hinsichtlich einer anstehenden Verwendung konkreter. So hat der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung gem. § 3 Abs. 1 BetrSichV vor einer Verwendung des Arbeitsmittels explizit durchzuführen. Spätestens jetzt führt kein Weg mehr an der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung vorbei. Zudem heißt es in der BetrSichV auch: „Arbeitsmittel dürfen erst verwendet werden, nachdem der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt hat.“ (§ 4 Abs. 1 BetrSichV)

Muss diese auch aktualisiert werden?

Die Gefährdungsbeurteilung ist nach BetrSichV regelmäßig zu überprüfen und unverzüglich zu aktualisieren, wenn es erforderlich ist. Der Verordnungsgeber nennt hier drei Beispiele, wann aus seiner Sicht eine Aktualisierung notwendig ist – nämlich wenn:

  • „sicherheitsrelevante Veränderungen der Arbeitsbedingungen einschließlich der Änderungen von Arbeitsmitteln dies erfordern“,
  • „neue Informationen, insbesondere Erkenntnisse aus dem Unfallgeschehen oder aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge, vorliegen“ oder
  • „die Prüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen ergeben hat, dass die festgelegten Schutzmaßnahmen nicht wirksam oder nicht ausreichend sind“.

Wer ist zuständig für die Erstellung?

Zuständig für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ist der Arbeitgeber. 
Die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung darf jedoch nur durch fachkundige Personen erfolgen. Sollte der Arbeitgeber diesbezüglich nicht fachkundig sein, kann hier die Fachkraft für Arbeitssicherheit als Unterstützung hinzugeholt werden. Ob die Fachkraft für Arbeitssicherheit intern oder von einem externen Dienstleister gestellt wird, spielt keine Rolle.

Sollte die Gefährdungsbeurteilung allerdings von einer nicht fachkundigen Person erstellt werden, stellt dies nach (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 BetrSichV) eine Ordnungswidrigkeit dar.

Auch wenn die Bezeichnung der Gefährdungsbeurteilung im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht und im Strafrecht nicht direkt fällt, gibt es dennoch auch hier im Grunde eine Verpflichtung. Denn jede Führungskraft muss alles Zumutbare und Mögliche unternehmen, um die in ihrem Bereich auftretenden Gefährdungen von ihren „Schützlingen“ abzuwenden. Und um eben jene Gefährdungen abzuwenden, müssen diese natürlich erst beurteilt werden.

Was ist der Inhalt der Gefährdungsbeurteilung?

In der Gefährdungsbeurteilung sind „die auftretenden Gefährdungen zu beurteilen und daraus notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten“ (§ 3 Abs. 1 BetrSichV).
Hier geht es um konkrete Maßnahmen, die zum Erreichen der benötigten Sicherheit an den einzelnen Arbeitsplätzen notwendig sind. Allgemeine Hinweise von Dingen, die zu beachten sind, sind wenig zielführend.

Zu berücksichtigen sind vielmehr „alle“ Gefährdungen „von den Arbeitsmitteln selbst, der Arbeitsumgebung und den Arbeitsgegenständen, an denen Tätigkeiten mit Arbeitsmitteln durchgeführt werden“, also die „Wechselwirkungen“.

Bei der Beurteilung der einzelnen Gefährdungen sind laut BetrSichV folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • die Gebrauchstauglichkeit von Arbeitsmitteln einschließlich der ergonomischen, alters- und alternsgerechten Gestaltung,
  • die sicherheitsrelevanten einschließlich der ergonomischen Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatz, Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren, Arbeitsorganisation, Arbeitsablauf, Arbeitszeit und Arbeitsaufgabe,
  • die physischen und psychischen Belastungen der Beschäftigten, die bei der Verwendung von Arbeitsmitteln auftreten,
  • vorhersehbare Betriebsstörungen und die Gefährdung bei Maßnahmen zu deren Beseitigung.

 

Gemäß § 3 Abs. 6 BetrSichV hat der Arbeitgeber zudem die Art und den Umfang von erforderlichen Prüfungen der Arbeitsmittel sowie die Fristen für deren wiederkehrende Prüfungen festzulegen.

Unsere Empfehlung

Um Ihren Mitarbeitenden einen möglichst sichereren Arbeitsplatz bieten zu können, müssen Sie sich mit dem Thema der Gefährdungsbeurteilung genauer auseinandersetzen. Ziel sollte es sein, mit Hilfe der Gefährdungsbeurteilung einen sicheren Arbeitsplatz für die eigenen Mitarbeitenden zu gestalten, um so die Gesundheit der Mitarbeitenden aufrecht zu erhalten oder sogar noch zu fördern. Denn eine Gefährdungsbeurteilung ist mehr als nur ein notwendiges Dokument, welches im Anschluss in einer Schreibtischschublade verschwindet und einstaubt. Es ist das zentrale Dokument für Sicherheit an Ihren Arbeitsplätzen.

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