Am 02.12.2019 beauftragte die Europäische Kommission die ECHA mit der Entwicklung eines Leitfadens für die Bewertung der Risiken für Arthropoden-Bestäuber (u. a. Insekten, einschließlich Bienen) durch die Exposition gegenüber Bioziden. Eine Konsequenz, um ein hohes und harmonisiertes Schutzniveau für die Umwelt zu gewährleisten, wobei der Leitfaden der EFSA zur Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln für Bienen (der derzeit überarbeitet wird) berücksichtigt wird. Darüber hinaus wurde die ECHA ersucht, die Informationen zu spezifizieren, die erforderlich sind, damit die bewertende Behörde eine Schlussfolgerung darüber ziehen kann, ob die Produkte die Kriterien gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iv (Auswirkungen auf die Umwelt) der Biozidprodukte-Verordnung (BPR) in Bezug auf Bienen und andere Arthropoden-Bestäuber erfüllen.
Die ECHA veröffentlichte eine Studie. Deren Gegenstand sind die Arthropoden-Bestäuber, also Spinnentiere, Tausendfüßler oder Insekten, deren größte Gruppe die Käfer sind. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Lebensweise kann die Exposition von Nicht-Bienenbestäubern (NBP) gegenüber Biozidprodukten in verschiedenen Umweltkompartimenten stattfinden. Sie können darüber hinaus in bestimmten Lebensstadien besonders sensibel für mögliche Expositionen sein.
Die Exposition kann hauptsächlich durch den Verzehr von kontaminierter Nahrung (z. B. Nektar, Pollen, Blätter) und Wasser (z. B. Pfützen, natürliche Gewässer) und/oder durch den Kontakt mit kontaminierten Materialien, die als Unterschlupf oder Nistplatz dienen (z. B. Erde, Schlamm, Streu, Holz, Stängel), erfolgen. Ebenfalls kann, wenn Produkte versprüht werden und Insekten beim Fliegen mit ihnen in Berührung kommen, eine direkte Exposition im Luftraum angenommen werden. Werden beispielsweise Biozidprodukte gegen Fliegenlarven in Dung oder Mist eingesetzt, ist eine Exposition von Arten möglich, die Dung oder Mist als Nahrungsquelle (z. B. einige erwachsene Schmetterlinge) oder als Nistplatz nutzen. Daher können die NBP über verschiedene Expositionswege mit Biozidprodukten in Kontakt kommen.
Für die Untersuchung wurden die 16 ausgewählten Studien betrachtet, die eine Reihe von Biozid-Wirkstoffen (z. B. Imidacloprid, Thiamethoxam, Acetamiprid, Lambda-Cyhalothrin, Etofenprox, Abamectin, Permethrin) verschiedener chemischer Klassen abdecken, wobei die Exposition der Testorganismen entweder oral oder durch Kontaktexposition erfolgte.
Es wurde zunächst eine Literaturübersicht über die Ökologie und die Empfindlichkeit von Diptera (Zweiflügler), Lepidoptera (Schmetterlinge), Hymenoptera (Hautflügler), die keine Bienen sind, und Coleoptera (Käfer) gegenüber Insektiziden erstellt. Die Daten für Bienenarten wurden aus offener Literatur, Wirkstoffbewertungsberichten (ECHA, EFSA) und/oder Datenbanken (z. B. PPDB) zusammengetragen. Außerdem wurde ein Datensatz von 143 Toxizitätsendpunkten bei Arthropoden-Bestäubern für neun Wirkstoffe gesammelt, und es wurde eine weitere Analyse durchgeführt, um festzustellen, ob sich ihre Empfindlichkeit signifikant von der der Honigbienen unterscheidet. Obwohl die Datenbasis relativ spärlich ist, scheint sie darauf hinzuweisen, dass einige NBP-Arten in bestimmten Lebensstadien (z. B. Larven) für einige Wirkstoffe genauso empfindlich oder sogar empfindlicher als Honigbienen sein können. Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass die Entwicklung eines Risikobewertungsansatzes für NBP mit einer großen Heterogenität und begrenzten Kenntnissen über die Empfindlichkeitsvariabilität dieser Organismen zu kämpfen hat.
Auf der Grundlage der derzeit verfügbaren Forschungsdaten wird es als nicht möglich erachtet, eine Sensitivitätsanalyse durchzuführen, um festzustellen, ob Wespen als empfindlicher gegenüber Bioziden angesehen werden können als die Honigbienen. Es besteht ein Bedarf an mehr Forschung in diesem Bereich, um Aussagen über die Empfindlichkeit von Wespen gegenüber Bioziden und anderen Chemikalien machen zu können.
Trotz des begrenzten Datensatzes und des Fehlens einer statistischen Analyse der Toxizitätsendpunkte hat man den Eindruck, dass einige NBP bei topischer Exposition empfindlicher auf bestimmte Wirkstoffe zu reagieren scheinen. Für Permethrin, einen Wirkstoff, der für die Verwendung in PT08 und PT18 zugelassen ist, liegen LD50-Werte für 23 verschiedene Arten aus vier Ordnungen (Hymenoptera, Coleoptera, Diptera und Lepidoptera) vor. Dies lässt einige vorläufige Schlussfolgerungen zu, dass einige Nicht-Bienenarten bei topischer Exposition empfindlicher auf bestimmte Wirkstoffe zu reagieren scheinen und die Empfindlichkeit der NBP für einige Stoffe mit der Empfindlichkeit der Bienenbestäuber vergleichbar oder sogar höher sind. Es bleibt zu klären, welches Lebensstadium von NBP empfindlicher sein könnte und welches daher der wichtigste Expositionsweg ist.
Die Arthropoden-Bestäuber sind eine äußerst vielfältige Gruppe von Organismen mit unterschiedlichen ökologischen Eigenschaften. Es ist noch nicht möglich, Aussagen über Empfindlichkeitsunterschiede zwischen Bienen- und Nichtbienenarten zu treffen, da nur wenige Informationen für alle relevanten Familien/Arten vorliegen. In diesem Zusammenhang wären weitere Laborstudien zur akuten Kontakt-/Oral-Toxizität, die die Empfindlichkeit von NBP und Honigbienen anhand ähnlicher Parameter vergleichen, sehr wertvoll. Darüber hinaus sind weitere Studien erforderlich, um herauszufinden, welcher der wichtigste Expositionsweg für NBP ist und in welchem Lebensstadium sie den Chemikalien unter Umweltbedingungen am stärksten ausgesetzt sind, um zuverlässige Vergleiche anstellen und die notwendigen Schlussfolgerungen für die Entwicklung von Risikobewertungsmethoden für diese Organismen ziehen zu können.
Auf der Grundlage der oben dargelegten verfügbaren Daten kann die Empfindlichkeit der NBP für einige Stoffe mit der Empfindlichkeit der Bienenbestäuber vergleichbar oder sogar höher sein. Es bleibt zu klären, welches Lebensstadium von NBP empfindlicher sein könnte und welches daher der wichtigste Expositionsweg ist. So deuten einige Veröffentlichungen in der freien Literatur darauf hin, dass Larven noch empfindlicher sein könnten als ausgewachsene Tiere (z. B. bei Käfern), so dass zu diesem Thema weitere Informationen eingeholt werden sollten.
Auf der Grundlage der für Dipteren-, Lepidopteren- und Coleopteren-Arten gesammelten Daten scheint es jedoch so zu sein, dass einige Nicht-Bienenarten gegenüber bioziden Wirkstoffen sehr empfindlich sind und möglicherweise nicht von einer Risikobewertung erfasst werden, die nur auf Bienen ausgerichtet ist. Da dies auch für andere NBP-Gruppen (z. B. Nichtbienen-Hymenopteren) angenommen werden könnte, sollten NBP nicht ignoriert werden, wenn es um den Schutz von Bestäubern geht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aufgrund der großen Heterogenität der NBP weitere Forschungsarbeiten erforderlich sind, um die derzeitigen Datenlücken zu ihren ökologischen Merkmalen, ihrer Rolle bei der Bestäubung und ihrer Empfindlichkeit gegenüber Bioziden zu schließen. Ein Perspektivwechsel von einem reinen "Bienenfokus" zu einem Blick auf "blütenbesuchende Insekten" könnte erforderlich sein, um den Schutz der biologischen Vielfalt der Bestäuber zu gewährleisten und den gesamten wirtschaftlichen Wert der Bestäubung besser zu berücksichtigen. Diese Studien sollten auch die Leistungen anderer Insektenarten wie Fliegen, Wespen, Käfer und Schmetterlinge berücksichtigen – wichtige Bestäuber, die derzeit übersehen werden.
In den vergangenen Jahren ist das Bewusstsein für den menschlichen Einfluss auf Insekten enorm gestiegen. Auch wenn Biozide nicht in solchen Mengen eingesetzt werden wie Pflanzenschutzmittel, ist ihr Einfluss auf die Umwelt unbestritten. In Zukunft wird der Schutz von Arthropoden-Bestäubern eine immer wichtigere Rolle bei der Bewertung von Biozidprodukten einnehmen. Mit dem steigenden Wissen über den Einfluss von Wirkstoffen auf eine Vielzahl von Insektenarten und Entwicklungsstadien werden weitere Expositionswege zu berücksichtigen sein, um das angestrebte hohe Schutzniveau der BPR einzuhalten.
Prüfen Sie frühzeitig, ob Ihre Biozidprodukte Chemikalien enthalten, die Einfluss auf Insekten und insbesondere NBP haben. Sollten diese nicht ausgetauscht werden können, muss ein Eintrag in die Umwelt genau im Blick behalten werden, um sicherzustellen, dass Ihr Produkt auch bei strengeren Schutzmaßnahmen bestehen kann.
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