Biozide

Einstufung von Iod und PVP-Iod als endokrine Disruptoren

Iod und seine Derivate sind als Wirkstoff in den Produkttypen (PT) 1, 3, 4 und 22 vertreten. Die meisten derzeit zugelassenen Biozidprodukte mit iodhaltigen Wirkstoffen finden sich in PT 3. Sie sind essenzielle Nährstoffe für Säugetiere, aber auch Desinfektionsmittel, die z. B. bei der Zitzendesinfektion vor und nach dem Melken sowie in der Lebensmittelindustrie verwendet werden. Darüber hinaus werden iodhaltige Desinfektionsmittel für die Wunddesinfektion als Medizinprodukt eingesetzt.

5 Min.

06.12.2022

Ursprung Iod

Iod gilt als wichtiger Mikronährstoff, der für die Herstellung von Schilddrüsenhormonen benötigt wird. Ein Iodmangel beim Menschen verursacht eine Reihe von Gesundheitsproblemen, darunter Kropf, geistige Behinderung, Herzprobleme und Sehstörungen. Eine Überversorgung mit Iod kann sich dagegen ebenfalls negativ auf die Schilddrüsenphysiologie auswirken.

Ein Review von Karbownik-Lewińska (2022) präsentiert Daten, die die Hypothese stützen, dass Iod – wenn es im Übermaß vorhanden ist – die Schilddrüsenhormonsynthese beeinträchtigen und daher als potenziell endokriner Disruptor (ED)  wirken kann, und dass diese Wirkung sowie andere Anomalien in der Schilddrüse – zumindest teilweise – durch oxidativen Stress entstehen.

Endokrine Disruptoren – Was ist das?

Chemikalien, die als endokrine Disruptoren (ED) bekannt sind, haben das Potenzial, sowohl das Hormonsystem von Menschen als auch von Tieren zu beeinträchtigen. Das Konzept der endokrinen Disruption ist relativ neu, wenn es um das Verständnis der chemischen Toxizität geht. Wissenschaftler*innen und Behörden aus aller Welt haben in den letzten Jahren über dieses Thema und seine Bedeutung debattiert. Sowohl internationale Organisationen als auch die EU haben bedeutende Fortschritte erzielt.

Die primären Ziele von ED sind sehr vielfältig. Teilweise wirken sie auf spezielle Transportproteine der Zellmembran und auf Enzyme, die für die Produktion von Schilddrüsenhormonen unerlässlich sind. ED sind jedoch in der Lage, generell jede Phase der Hormonsynthese zu stören (J. Köhrle, 2021). Es wurde festgestellt, dass viele ED, die sich auf die Schilddrüse auswirken, vor allem auf die Transportproteine wirken, was die Aufnahme von Iodid in der Schilddrüsenfollikelzelle verändert.

Nutzung von Iod

Iod und seine Derivate werden häufig in der industriellen Chemie als Nebenprodukte und in der menschlichen Ernährung verwendet. Aber auch für Säugetiere ist Iod ein essenzieller Nährstoff, der als obligatorisches Struktur- und Funktionselement der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3) benötigt wird. Über diese Hormone spielt Iod eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel und bei der Expression von Genen, die sich auf viele physiologische Funktionen auswirken, darunter Embryogenese und Wachstum, sowie die Entwicklung neurologischer und kognitiver Funktionen (EFSA, 2014).

Darüber hinaus wird Iod oft aufgrund seiner desinfizierenden Eigenschaften verwendet. Dabei ist generell die Verwendung als Biozidprodukt nach den Regeln der Biozid-Verordnung (BPR) und der Einsatz als Wunddesinfektionsmittel als Arzneimittel zu unterscheiden. Als Biozidprodukt werden iodhaltige Desinfektionsmittel vor allem im Veterinärbereich (PT 3) eingesetzt. Die mehr als 200 zugelassenen Produkte werden vor allem zur Zitzendesinfektion sowie zur Desinfektion von Melkanlagen verwendet, sind aber auch in Ställen, Brutstätten und Tiertransportmitteln und bei der Desinfektion von Hufen und Klauen im Einsatz.

Ausblick und Alternativen

Der BPC kam zu dem Schluss, dass Iod und Povidon-Iod (wasserlöslicher Komplex von Iod mit Polyvinylpyrrolidon (PVP, Povidon), der als Desinfektionsmittel bzw. Antiseptikum verwendet wird) die Kriterien für endokrine Disruptoren erfüllen. Dies hat zur Folge, dass Produkte nicht mehr durch eine Unionszulassung zugelassen werden können. Darüber hinaus greift Artikel 5 der BPR, der eine Verwendung in Biozidprodukten nur unter strengen Bedingungen erlaubt und nach Möglichkeit so schnell wie möglich durch weniger gefährliche Wirkstoffe zu ersetzen ist (Art. 10). Die Europäische Kommission wies darauf hin, dass die nächsten Schritte eine Analyse von Alternativen für Iod und PVP-Iod und/oder eine Risikobewertung für deren biozide Verwendung umfassen könnten. Das Enddatum der Wirkstoffzulassung war auf den 31.08.2025 gesetzt. Jedoch trifft die Europäische Kommission die endgültigen Entscheidungen auf der Grundlage der technischen und wissenschaftlichen Beratung durch den BPC. Es müssen noch zahlreiche offene Fragen über die nächsten Schritte der BPR und der Kommission geklärt werden.

Empfehlung

Iodhaltige Desinfektionsmittel sind insbesondere im Veterinärbereich unverzichtbar. Die Einstufung als ED erschwert die Zulassung von Produkten erheblich. Da iod- und PVP-iodhaltige Biozidprodukte nicht mehr durch eine Unionszulassung zugelassen werden können, dürften geplante als auch noch offenen Bewertungen in den vorhandenen und anderen Produktarten problematisch werden. Falls Sie diesen Wirkstoff bislang in einem Ihrer Biozidprodukte oder in behandelten Waren verwenden, sollten Sie die weiteren Entwicklungen eng verfolgen und frühzeitig an eine Umstellung auf andere Wirkstoffe denken.

Unsere Dienstleistung

Gerade mit einer ED-Einstufung steigen die Anforderungen an das einzureichende Dossier und es müssen zusätzliche Anforderungen erfüllt werden. Wir analysieren mit Ihnen die notwendigen Schritte und unterstützen Sie bei der Umsetzung, sei es die Meldung eines Biozid-Produktes in verschiedenen europäischen Ländern oder die Zulassung europaweit. Wir prüfen die Inhaltstoffe Ihrer Produkte mit Blick auf die laufenden Verfahren und erarbeiten gemeinsam mit Ihnen mögliche Alternativen. Auch wenn enthaltene Wirkstoffe genehmigt werden, gibt ein Menge zu tun. In diesen Fällen unterstützen wir Sie gern bei der Erstellung der nötigen Anträge für eine Produktzulassung und fertigen ein entsprechendes Produktdossier an, damit Ihre Produkte dauerhaft compliant in der EU vermarktet werden können.

Unser Beratungsansatz

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